Frauenperspektiven in der Männerwelt

Kunst trifft Politik

Beim multinationalen Kunstprojekt SPLICE IN werden in Film und Diskussion feministische Perspektiven im männerdominierten Alltag Afghanistans und seiner Nachbarländer aufgezeigt. Im Rahmen dieses Projektes unterstützt medico international die zweisprachige Online-Publikation Dokumente.

SPLICE IN ist ein Begriff aus der Filmmontage. Er bezeichnet das Einfügen eines Teils in eine bestehende Sequenz, ohne dabei etwas anderes zu überschreiben. In Folge verändert sich die Dramaturgie. Das Kunstprojekt SPLICE IN knüpft hier an und fragt nach Möglichkeiten und Methoden in bestehende Verhältnisse einzugreifen.

In der kurzen Geschichte des afghanischen Kinos stehen seit dem Sturz der Taliban 2001 erstmals auch Frauen hinter der Kamera. Weit mehr als ihre männlichen Kollegen setzen sich afghanische Filmemacherinnen mit traditionellen Rollenbildern sowie familiärer und gesellschaftlicher Einflussnahme auseinander. So ist ihre filmische Arbeit zugleich eine politische, in der sie die gegenwärtige Situation reflektieren, kritisieren und sich für einen gleichberechtigten Status von Frauen in der afghanischen Gesellschaft engagieren. Eine Polizistin, die als Actionfilmregisseurin arbeitet; eine Aktivistin, die sich für die Trennung von Staat und Religion einsetzt, ein Mädchen, das sich als Junge verkleidet, um arbeiten zu gehen – sind die Protagonistinnen des in Kabul gedrehten Films Passing the Rainbow der Filmemacherinnen Sandra Schäfer und Elfe Brandenburger. In enger Kooperation mit Schauspieler/innen, Regisseur/innen und Aktivist/innen entstanden, beschäftigt sich der Film mit Strategien von Frauen die rigiden Geschlechternormen in filmischen Inszenierungen, der politischen Arbeit sowie im Alltag zu unterlaufen.

Aus der Arbeit am Film entstand das Festival SPLICE IN zu Gender und Politik in Afghanistan, seinen Nachbarländern und Europa. Es greift als Film- und Diskussionsprogramm in national wie international vorherrschende Diskurse ein, indem es lokale sowie historische Perspektiven und Erzählweisen einschiebt. Nach dem Auftakt in mehreren deutschen Städten wurde das Festival 2008 unter dem Namen SECOND TAKE in Kabul fortgesetzt.

 

Im Rahmen dieses Festivals fand das Seminar "Frauenbewegungen stärken: Nationale und Transnationale Erfahrungen" statt, bei dem Frauenrechtsaktivist/innen, Politiker/innen, Journalist/innen und Filmemacher/innen aus Afghanistan, Indien und Iran politische Erfahrungen austauschten und Möglichkeiten des Aktivismus diskutierten.

Dem von Politik und Entwicklungszusammenarbeit immer wieder instrumentalisierten Thema "Frauen in Afghanistan" hält das Festival SPLICE IN lokale Initiativen von Filmemacher/innen, Schauspieler/innen und Frauenrechtsorganisationen entgegen, deren politische Arbeit teilweise bis weit vor die Taliban-Zeit in die 1960er Jahre zurückreicht und auch aus dem Exil weiter geführt wurde.

 

Nun widmet sich SPLICE IN dem Projekt Dokumente, eine in Dari und Englisch erscheinende Online-Dokumentation des Gesamtprojektes SPLICE IN. Sie umfasst Textbeiträge und Interviews zum Thema "Film und Gender" mit Beiträgen aus Afghanistan, Iran, Indien und Deutschland sowie Videoclips der Filmgespräche, die bei den Festivals geführt wurden. Im Rahmen des Schwerpunkts "Gender und Aktivismus" analysieren Filmemacherinnen und Frauenrechtsaktivistinnen regionale feministische Diskurse, stellen ihre Arbeit in Basisbewegungen vor und beleuchten die Gefahr der Vereinnahmung von lokalem politischem Aktivismus durch internationale Geberorganisationen.

Mit diesem multimedialen Mosaik von Beiträgen reflektiert Dokumente die Einzelprojekte, führt verschiedene inhaltliche Stränge und Sichtweisen zusammen und macht unterschiedliche Rezeptionen des Festivals sichtbar. Das digitale Format ermöglicht es, Texte und Videos weltweit leicht zugänglich zu machen. Das gestattet vor allem die Distribution in Afghanistan, Indien und Iran. Außerdem kann eine mögliche Zensur im Iran so besser umgangen werden. Über das Internet lässt sich die Dokumentation weitaus einfacher verbreiten und ist zudem dynamischer, da bewegte Bilder aufgenommen und die Text- und Bildersammlung laufend erweitert werden kann.

medico fördert die Übersetzung der Online-Publikation, um sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Homepage des Projekts: www.mazefilm.de

Zum Film: Passing the Rainbow

 

Veröffentlicht am 19. März 2009

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