Porträt

Ein Sicherheitsrisiko

Majeda Al-Saqqa tritt für die Rechte von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Gaza ein.

Das erste Mal begegnete ich Majeda Al-Saqqa im September 2012 in Ga-za-Stadt. Mit ihren kurzen grauen Haaren, dem Kapuzenpulli und der schwarzen Lederjacke, die sie im Winter so gerne trägt, würde sie in einer Kreuzberger Kneipe nicht auffallen.

Wir saßen damals auf einer Terrasse am Meer. Sie trank Kaffee, rauchte selbstgedrehte Zigaretten und erzählte mir von ihrer Arbeit in Khan Younis. Majedas Organisation Culture & Free Thought Association setzt sich für die Rechte von Kindern, Jugendlichen und Frauen ein. Das brachte ihr mit der Hamas und anderen ziemlich Ärger ein. Der israelische Geheimdienst mag sie auch nicht. Immer wieder wird ihr die Ausreise aus Gaza „aus Sicherheitsgründen“ verwehrt. Wer solche Menschen aus Gaza kennengelernt hat, dem wird die Absurdität der Sicherheitsargumentation und der unterschiedslosen Internierung der Bevölkerung schnell klar.

Richtig kennen gelernt habe ich Majeda eigentlich erst im November 2012. Jedes Mal, wenn ich während der achttägigen Bombardierungen mit ihr telefonierte, glaubte ich hören zu können, wie ihr Gaza enger wurde. Im Sommer 2014, als der Konflikt zwischen Israel und der Hamas erneut eskalierte, potenzierte sich diese Erfahrung: bei mir die der Ohnmacht und bei Majeda die Wut und, mehr noch, Traurigkeit darüber, vernichtet werden zu können, ohne dass es einen Aufschrei gibt. Über jene Wochen erzählte sie später: „Nach den Kriegen 2009 und 2012 haben wir am nächsten Tag die Schäden repariert und weiter gearbeitet. Aber dieses Mal war es anders. Es war, als hätten sie unsere Körper geöffnet und uns einen großen schwarzen Klumpen eingepflanzt, den wir jetzt überall mit uns herumtragen.“

Die Situation in Gaza wird immer schlimmer, aber Majeda ist sich sicher: „Ich würde Gaza niemals verlassen, um woanders zu leben. Etwas, das ich nie woanders gesehen habe, auch nicht in Ramallah: Egal bei welchem Anlass, ob fröhlich oder traurig, du wirst hier nie alleine stehen. Es werden immer Leute mit dir sein.“ Ihr Lachen hat sie sich bewahrt, auch ihren Galgenhumor. „Gaza ist wie mein Kind, aber zwischendurch willst du mal mit Freunden essen oder was trinken gehen und eine Pause machen.“

Riad Othman 


Dieser Beitrag erschien zuerst im medico-Rundschreiben 1/2018. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. <link verbinden abonnieren>Jetzt abonnieren!

Veröffentlicht am 26. April 2018

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