Editorial

»O Wunder! Was gibt's für herrliche Geschöpfe hier! Wie schön der Mensch ist! Schöne neue Welt, die solche Bürger trägt!«

Shakespeare, Der Sturm

Dieses Doppelheft noch zum 30jährigen Jubiläum von medico bedeutet ein Präsent an unsere Freundinnen & Freunde, die uns so fest verbunden waren & sich durch uns in manche Schwierigkeit verwickeln ließen. Respekt vor solchen Leuten! Die inhaltlichen Topics des Heftes, ein paar Monate vor der Jahrtausendwende, bezeichnen unseren ureigenen Gegenstand: soziale Medizin & menschliche Existenz. Diese steht heute im Zeichen ihrer technischen Reproduzierbarkeit: von Gentechnologie und bevorstehenden Keimbahnexperimenten, von alter und mehr noch neuer Eugenik. Von Prädiktion und Genommanipulation: nach deren Anwendung der Zerfall aller klassischen Sozialsysteme und jeglicher Solidarität zu erwarten ist. Von atemberaubenden Genomausbeutungen & Genompatentierungen und den damit verbundenen Geschäften ist in diesem Heft ebenfalls die Rede. Also von unseren Projektländern. Die ausnahmsweise einmal kein Spendenkennzeichen tragen, sondern wo nur die gute alte allgemeine Chiffre für die Fortsetzung unserer unabhängigen Arbeit gilt: Konto 1800 Frankfurter Sparkasse (BLZ 5005001) oder 6999-508 Postgiro Köln (BLZ 370 100 50). Der Inhalt dieser Doppelnummer ist tendenziös verfaßt. Gegen die Revolution der gentechnologischen Artifizialisierung der Gattung. Obwohl wir nicht verkennen, nicht leugnen wollen, welche niemals zu rechtfertigenden Schmerzen Menschen genommen werden können, die zu stillen einer prädiktiven Medizin möglich sein wird. Dennoch ist die negative Tendenz bewußt gewählt: Sie erlaubt Ihnen die schärfere Fokussier-ung der eigenen Entscheidung. Sie wissen nun, was geschieht. Das entzifferte Genom erlaubt keine Legasthenie. Es will gelesen werden. Entscheiden Sie mit uns zusammen, was wir davon wollen, was wir nicht wollen oder wieweit wir etwas wollen. Es geht an dieser Stelle wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte um eine bewußte Willensentscheidung. Die eine Gefahr nämlich ist groß: Der alte Faschismus eliminierte das Abweichende. Der neue möchte sich gleich als biologische Norm verwirklichen. Das ist die große Sorge, die mit uns zu teilen wir Sie herzlich bitten.

Die Redaktion

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Veröffentlicht am 01. April 1999

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