Editorial

Liebe Leserinnen & Leser,

Ein klares Wort zur Lage der Armut in der Welt. Die Verschuldung erreicht neuen Rekord und die Ziele der Kampagne Erlaßjahr 2000 geraten in Verzug. Von der beim Kölner Weltwirtschaftsgipfel (1999) versprochenen schnellen Lösung des Schuldenproblems haben ein Jahr nach Köln gerade einmal 9 Länder eine tatsächliche Entlastung erfahren. Statt Entschuldung ereignete sich ein neues Plus auf insgesamt 2,4 Billionen US-Dollar. In der Welt der Globalisierung hat die Armut ihre beste Konjunktur. Und der Schein: Die Berliner Koalition präsentiert sich gegenüber den Medien mit den Zahlen einer angeblichen Erhöhung der Haushaltsmittel für die Entwicklungshilfe um 7,7%. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Steigerung als die kosmetische Technik von Umbuchern. Die scheinbare Erhöhung des BMZ-Etats kommt zustande, indem die der kriegshumanistischen Strategie (Balkan-Stabilitätspakt 200 Mio. Dollar) sowie die für die Durchsetzung politischer Stabilität gedachten Mittel (Transform-Programm Osteuropa) hinzugezählt werden. Zieht man diese Summen vom BMZ Etat 20010 ab, dann ergibt sich in Wahrheit ein reduzierter Ansatz, der tatsächlich um 148 Millionen DM unter dem Haushalt 2000 liegt.

Es geht also um den »Schein und das Sein von Hilfe«. Altes und aktuelles Motto der medico Arbeit und absichtsvoller Titel unseres neuen Geschäftsberichtes, den wir besonders Ihrer Lektüre empfehlen. Dessen Zahlen geben Rechenschaft über den Einsatz und die Verwendung der von unseren Spenderinnen & Spendern erhaltenen Mittel – und wollen von unserem kritischen Publikum überprüft werden. Wir sagen DANK dazu!

Was aber bieten wir Besseres als nur korrekten Umgang mit uns überlassenen Mitteln? Wir wollen etwas sichtbar machen, gegen den Schein, die Reduzierung und Einengung der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber Armut, Massenkrankheiten & Katastrophen, die am Ende noch zu Werbeträgern in den Medien werden. Unseren kritischen Blick möchten wir uns erhalten und Ihnen zur Unterstützung empfehlen: gegen den Strich des Üblichen. Daher das Konzept der Fördermitgliedschaft, das wir ausführlicher auf unserer Seite 31 vorstellen: Die Offerte, daß unsere Spenderinnen & Spender sich als teilnehmende Mitglieder und feste Angehörige von medico betrachten können. Um eine der inzwischen rar gewordenen kritischen Entwicklungshilfeorganisationen auch projektungebunden, nämlich als Ganzes in ihrem Bestand zu garantieren. Die Berechtigung unserer Arbeit liegt in der Durchbrechung des Realitätsmonopols, wie es in der bestehenden Welt ausgeübt wird. Durch Spenden & die neuen Fördermitgliedschaften entscheiden Sie über die Zukunft unserer Arbeit. Wir bitten darum. Gerade weil Sie nur gute Nachrichten von uns nicht hören werden!

Ganz herzlichst

Ihr

Hans Branscheidt

Veröffentlicht am 26. August 2000

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