Der Krieg der schönen Worte

Irak/Nahost: Frieden und Gerechtigkeit, statt Macht und Vorherrschaft

Alles wird endlich gut, verspricht George W. Bush. Mit messianischem Eifer wirbt der Präsident der USA für den Krieg gegen den Irak. Um den vielen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, präsentiert er immer neue Motive, die aus dem Waffengang in ein gerechtes Streiten für die gute Sache machen sollen.

Selbst die alte »Dominotheorie«, die einst den USA in Lateinamerika das Fürchten lehrte, könne nun ins Gute gewendet werden und als global triumphierende Pax-Americana dafür sorgen, dass nach dem Irak auch all die anderen arabischen Länder in den Schoß der Demokratie fallen. Dann, so der Präsident, sei die Zeit gekommen, auch den Israel-Palästina Konflikt zu lösen und den Palästinenser einen eigenen Staat zu geben. So vollmundig das Versprechen, so groß die Skepsis nicht zuletzt die zivilgesellschaftlichen Organisationen Israels und Palästinas.

»Welcher palästinensische Staat soll denn da entstehen«, fragt Mustafa Barghouthi, der Direktor des von medico unterstützten Union of Palestinian Medical Relief Committees: »Ein Fleckenteppich von auseinandergerissenen scheinbar autonomen Gebieten, die als solche noch weniger lebensfähig wären als ehemals die Bantustans im Land der Apartheid?« – Klar ist, dass es ohne die Beendigung der israelischen Besatzung keine Lösung des Konfliktes geben wird. Die Bush-Administration hat wie kaum eine andere US-Regierung vor ihr die von Ariel Sharon forcierte Politik der Besetzung und des Siedlungsanbaus in den palästinensischen Gebieten unterstützt. Eine Kehrtwende steht nicht zu erwarten. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass aus dem Versprechen nur wieder neue Verbrechen folgen könnten. Nach den Emanzipationshoffnungen der irakischen Bevölkerung werden nun auch die Friedenserwartungen der Menschen in Palästina und Israel zur Rechtfertigung des Krieges instrumentalisiert. Eines Krieges, der auf regionale Hegemonie aus ist und nicht auf Demokratisierung und soziale Gerechtigkeit.

Die Menschen im Irak und im Nahen Osten haben ein Recht auf Veränderung. Eine Veränderung, die von ihnen ausgehen muss und die wir von außen solidarisch begleiten können.

Mit einem gemeinsamen Aufruf antworteten Ende Februar israelische und palästinensischer NGOs dem Präsidenten der USA. Ein bemerkenswerter Appell, unterschrieben nicht zuletzt von vielen unserer Partner.


Gemeinsamer Aufruf palästinensischer und israelischer Nichtregierungsorganisationen gegen den Krieg im Irak

Trotz des wachsenden internationalen Protestes von Millionen von Menschen aus aller Welt scheinen die USA zu einem militärischen Angriff auf den Irak entschlossen zu sein – ungeachtet der zu erwartenden Zahl ziviler Opfer und Leidens. Es steht für uns außer Frage, dass der bevorstehende Krieg katastrophale Folgen sowohl für die irakische Bevölkerung als auch für den ganzen Mittleren Osten haben wird und dabei insbesondere für die Lage in der Westbank und dem Gaza-Streifen.

Aufgrund unserer Erfahrungen aus dem Jahr 1991 befürchten wir, dass die von Sharon geführte israelische Regierung den Krieg nutzen wird, um massive kollektive Strafaktionen gegen die unter israelischer Besatzung lebenden Palästinenser durchzuführen.

Wir, die Vertreter der israelischen und palästinensischen Zivilgesellschaft lehnen den Krieg ab, weil er weder Sicherheit noch Gerechtigkeit bringen wird, sondern Ausdruck von Macht, Vorherrschaft, Kontrolle und Gier ist. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass Sicherheit und Freiheit für die Menschen in unserer Region nicht durch Krieg, Gewalt und Tod erreicht werden kann.

Mit großer Sorge sehen wir die Möglichkeit, dass ein Krieg im Irak zu umfangreichen Repressionen gegen die palästinensische Bevölkerung führen könnte. Deshalb rufen wir alle friedliebenden Menschen in Israel auf, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam eine solche Politik zu verhindern und für einen internationalen Schutz der Palästinenserinnen und Palästinenser zu sorgen, die unter israelischen Besatzung leben.

Gemeinsam sagen wir: Nein zum Krieg im Irak! Ja zu einem Leben in Frieden und Gerechtigkeit im Nahen und Mittleren Osten! Ja zur Beendigung der israelischen Besatzung!

Wir rufen alle Menschen und Organisationen auf, im Kampf gegen den Krieg ihre Stimme zu erheben und sich gemeinsam für die Errichtung eines gerechten, umfassenden und dauerhaften Friedens in der Region zu engagieren.

Unterzeichnende Organisationen u.a.:

Israel

Ta’ayush Arab-Jewish Partnership, Gush Shalom Bat Shalom, The Coalition of Women for Just Peace, New Profile, Physicians for Human Rights – Israel, Israeli Committee Against House Demolitions, The Alternative Information Center, HaKampus Lo Shotek (Tel-Aviv University), Yes Gvul, Woman in Black, Black Laundry, Forum Smol (University of Haifa)

Palästina

Union of Palestinian Medical Relief Committees, The Palestinian Initiative for the Promotion of Global Dialogue & Democracy (Miftah), Arab Center for Agricultural Development, Palestinian Educational Network, Rawdat Al-Zuhur Society, Democracy and Workers‘ Rights Center, Al-Dameer Association for Human Rights, The Palestinian Hydrology Group, Palestinian Center for Peace and Democracy (PCPD), Palestinian Agricultural Development Association, LAW – The Palestinian Society for the Protection of Human Rights and the Environment, The Palestinian Counseling Center …

Veröffentlicht am 01. April 2003

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