"Compact with Africa"

Mehr Risiken als Chancen für Afrika

Anne Jung kritisiert die falsche entwicklungspolitische Grundidee hinter der Initiative "Compact with Africa und pocht auf gesetzliche Regelungen zum Schutz der Menschenrechte.

Während der deutschen G20-Präsidentschaft hat die Bundesregierung Afrika entdeckt. Mit dem dort vorgestellten „Compact with Africa“ schlug sie eine Art Tauschgeschäft vor: Die afrikanischen Partnerländer setzen Reformen im Steuer- und Finanzsektor um, öffnen ihre Märkte und ermöglichen Privatisierungen, um so ein „gutes Investitionsklima“ zu schaffen. Dafür bemühen sich die G20-Staaten um Investitionen von Unternehmen und leisten finanzielle Unterstützung. Eine Win-Win-Situation?

Nicht ganz. Hinter den Reformen im Steuersektor verbirgt sich die Forderung der Industrienationen, die Exportsteuern für Waren aus Afrika abzusenken. In Ländern, wo es wenig formelle Beschäftigungsverhältnisse und damit niedrige Steuereinnahmen gibt, gehören Exportsteuern zu den wichtigsten Einnahmequellen des Staates. Fehlen diese, bleiben die Regierungen etwa beim Ausbau von Bildungseinrichtungen und Krankenhäusern auf Hilfe angewiesen. Kommen dann noch Privatisierungen hinzu, werden gut ausgestattete Privatkliniken gebaut, die nur noch für die wohlhabende Minderheit zugänglich sind.

Die Schaffung eines „guten Investitionsklimas“ bedeutet außerdem für viele Menschen den Verlust von Grund und Boden. Dort, wo zuvor lokale Landwirtschaft betrieben wurde, breiten sich die Investoren der globalen Lebensmittelkonzerne aus. Diese Landnahme auf dem afrikanischen Kontinent durch internationale Konzerne führt zu massiven Konflikten, Vertreibungen und Enteignungen. Sie schafft zudem neue Abhängigkeiten von externer Nahrungsmittelhilfe.

Die geforderte Marktöffnung birgt ebenfalls mehr Risiken als Chancen für Afrika. Die Freihandelsverträge der letzten Jahre haben gezeigt, dass afrikanische Länder oft ihre Märkte zu 80 Prozent für Waren aus Europa öffnen, während nur circa zehn Prozent ihrer Waren international wettbewerbsfähig sind. Das ist alles durchaus im Interesse der Bundesregierung, die an neuen Absatzmärkten und dem ungehinderten Zugriff auf die Ressourcen des afrikanischen Kontinents interessiert ist.

Aus Sorge, dass sie international nicht wettbewerbsfähig sind oder dass ihnen Entwicklungshilfe gestrichen wird, stimmen die afrikanischen Regierungen oftmals vergleichbaren Abkommen zu und nehmen Nachteile in Kauf. Einige Partnerländer im „Compact with Africa“ werben gegenüber den europäischen Staaten bereits mit der Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte. Die Probleme des Kontinents sollen gelöst werden, indem ausländisches Kapital durch hohe Profitaussichten und niedrige rechtliche Standards angelockt wird. Das wird in Zukunft genauso scheitern wie in früheren Jahrzehnten.

Wie könnte eine Alternative aussehen? Der Ausbau der Handelsbeziehungen müsste den wirtschaftlich schwächeren Staaten Schutzmechanismen zugestehen. Die Bundesregierung sollte außerdem den Ausbau einer kontinentalen Freihandelszone innerhalb Afrikas unterstützen. Stattdessen jedoch behindert die europäische Migrationspolitik, die vor allem der Flüchtlingsabwehr dient, den transnationalen Austausch und schafft neue Hürden.

Und nicht nur das: Gerade erst hat die Bundesregierung ein Lieferkettengesetz verhindert, dass den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen hätte verbessern können. Aber wer den Handel intensivieren will, muss auch die Menschenrechte schützen. Dieser Grundsatz muss überall gelten, auch jenseits der europäischen Außengrenzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung vom 28. November 2019.

Veröffentlicht am 03. Dezember 2019

Anne Jung

Anne Jung leitet die Öffentlichkeitsarbeit bei medico international. Die Politikwissenschaftlerin ist außerdem zuständig für das Thema Globale Gesundheit sowie Entschädigungsdebatten, internationale Handelsbeziehungen und Rohstoffe.

Twitter: @annejung_mi


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