Israel – Indonesien

documenta-Streit

Die Aufarbeitung der Kontakte zwischen Indonesien und Israel während der Suharto-Diktatur steht erst am Anfang.

Von Joseph Croitoru

Die documenta fifteen sollte ein Ort des konstruktiven Austauschs zwischen den als „Globaler Norden“ und „Globaler Süden“ apostrophierten Kultursphären werden. Der intendierte Dialog fand jedoch in der deutschen Öffentlichkeit kaum statt. Vielmehr brach nach der Entdeckung einer antisemitisch überzeichneten Figur eines ultraorthodoxen Juden auf dem Monumentalbild „People’s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi eine erregte und einseitig geführte Antisemitismus-Debatte los. Eine kritische Diskussion über die in dem Bild thematisierte Schreckensherrschaft des indonesischen Diktators Mohamed Suharto und ihre Unterstützung durch westliche Staaten war damit weitgehend verhindert. Ausgeblendet wurde auch die Frage der Beziehungen Israels zum Suharto-Regime, auf die in dem Banner von Taring Padi eine zweite, allerdings zu Unrecht als antisemitisch kritisierte Figur – Teil einer Reihe verfratzter Gestalten vor allem westlicher „Geheimdienstler“ – hinweist, die für den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad steht.

Die Suche nach Verbündeten

Der verdeckten Kooperation zwischen Israel und Suhartos Indonesien, die Mitte der 1960er-Jahre ihren Anfang nahm, waren seit der israelischen Staatsgründung 1948 etliche Annäherungsversuche von israelischer Seite vorausgegangen. Der junge Staat Israel hatte ein dringendes Interesse daran, zu möglichst vielen Ländern Beziehungen aufzubauen. Dazu zählte Jerusalem auch die vielen Staaten, die sich damals gerade von der westlichen Kolonialherrschaft zu befreien begannen. Israel sah sich gerne als Teil davon und konnte sich auch darauf berufen, selbst aus einem antikolonialen Befreiungskampf – gegen Großbritannien – hervorgegangen zu sein. Dass sich die Schaffung vorstaatlicher Strukturen durch die zionistische Bewegung in Palästina dem Wohlwollen der britischen Mandatsherren verdankte, wurde geflissentlich übergangen.

In den ersten Jahren nach der Staatsgründung bemühte sich Israel, dessen Vorläufer, der vorstaatliche Jischuw, schon mit etlichen Ländern in Südamerika befreundet war, vor allem um den Aufbau von Kontakten zu asiatischen Ländern. Durch das Knüpfen diplomatischer Beziehungen zu den islamischen Staaten Türkei und Iran konnte im Nahen und Mittleren Osten geopolitisch ein Gegengewicht zu den Israel umgebenden verfeindeten arabischen Staaten geschaffen werden. In Südostasien waren die außenpolitischen Bemühungen Jerusalems indes weniger erfolgreich. Zwar entwickelte sich in den 1950er-Jahren ein freundschaftliches Verhältnis zu Burma, das von den Briten 1948 in die Unabhängigkeit entlassen worden war. Aber Indien, das eine ähnliche koloniale Erfahrung gemacht hatte, ging zu Israel nicht nur aufgrund seiner Palästinenser-Politik auf Distanz. Auch sah man in Neu-Delhi den Sinai-Feldzug 1956, in dem die israelische Armee Seite an Seite mit Großbritannien und Frankreich gegen Ägypten kämpfte, als klaren Beweis dafür, dass Israel sich dem Lager des westlichen Imperialismus angeschlossen habe.

Auf Abstand, bis zum Putsch

Während Israel in Afrika schon im Laufe der 1960er-Jahre etliche Länder, vor allem christlich geprägte, als Freunde gewinnen konnte, scheiterten sämtliche Annäherungsversuche an zwei der bedeutendsten islamischen Länder Asiens – Pakistan und Indonesien. Letzteres stand wie Pakistan den Staaten der Arabischen Liga nahe und wies bereits 1950 Jerusalems Ersuchen, eine staatliche Delegation nach Jakarta zu entsenden, zurück. Bei einem Treffen erläuterte Außenminister Ahmed Subardjo seinem israelischen Amtskollegen Moshe Sharett den Grund: Weil Indonesiens Bevölkerung zu 95 Prozent aus Muslimen bestehe, sei die Regierung zu besonderer Vorsicht in der Frage der Kontakte zu Israel gezwungen. 1952 lehnte sie Jakarta mit der gleichen Begründung auch öffentlich ab, wobei es auch noch auf seine Verpflichtungen gegenüber den arabischen Ländern verwies, die Indonesien in seinem Kampf um Unabhängigkeit stets unterstützt hätten. Ende 1953 erließ die indonesische Regierung dann ein Einreiseverbot für alle Israelis. Sie hatte auch entscheidenden Anteil daran, dass Israel in den folgenden Jahren von internationalen Asien-Konferenzen ausgeschlossen wurde.

Das Parlament verurteilte 1956 die israelische Beteiligung am Sinai-Feldzug aufs Schärfste und antiisraelische Erklärungen ranghoher indonesischer Politiker gaben bis zum Ende der Herrschaft von Präsident Sukarno 1967 den Ton gegenüber Jerusalem an. Der linksorientierte und offen proarabische Sukarno wurde schon 1965 durch einen von General Mohamed Suharto angeführten Militärputsch weitgehend entmachtet. Zwei Jahre später löste er ihn im Präsidentenamt ab. Die politischen Säuberungsaktionen der konservativen Militärs richteten sich besonders gegen Linke, Kommunisten und als solche verdächtigte Personen, von denen zumindest eine halbe Million ermordet wurden – ein genozidales Verbrechen, das von den westlichen Großmächten geduldet und allem Anschein nach mitunter sogar unterstützt wurde. Obgleich man in Israel, wie inzwischen freigegebene Staatsakten belegen, schon im Winter 1966 über das Ausmaß der Verbrechen in Indonesien im Bilde war, wurde in Regierungskreisen der Machtwechsel in Jakarta als Chance für einen Neuanfang der bilateralen Beziehungen betrachtet.

Weil aber Suharto wie sein Amtsvorgänger offizielle Beziehungen zu Israel um jeden Preis vermeiden wollte, mussten die schon bald geknüpften Kontakte geheim gehalten werden. Die Gesprächspartner des israelischen Außenministeriums und Auslandsgeheimdienstes Mossad waren Generäle, die zu den engsten Vertrauten des Diktators gehörten und häufig auch als Firmenleiter fungierten. Bereits im Mai 1967 schloss eine Tarnfirma des Mossad einen Vertrag mit dem indonesischen Staatsunternehmen Perusahaan Pilot Project Berdikari ab. Neben Phosphaten und Pestiziden verpflichteten sich die Israelis, auch „militärische Ausrüstung“ und „Militäruniformen“ zu liefern. Die geheime Zusammenarbeit erlebte schon kurz danach einen Aufschwung, als Israel im Sechstagekrieg im Juni die arabischen Armeen besiegte. Der schnelle Sieg weckte – wie anderswo auch – bei der indonesischen Militärführung das Interesse an israelischer Militärexpertise. Die israelischen Journalisten Yossi Melman und Dan Raviv behaupteten in ihrem 1992 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch „Die Geschichte des Mossad“, dass israelische Militärexperten schon kurz nach dem Krieg bei der indonesischen Armee als Ausbilder eingesetzt wurden. Die bislang vom israelischen Staatsarchiv freigegebenen Akten – es wird vermutet, dass viele noch unter Verschluss sind – geben darüber keine Auskunft. Übrigens auch nicht über eine mögliche israelische Unterstützung des Suharto-Regimes in seiner genozidalen Phase.

Fest steht, dass bereits im Juli 1967 Berdikari-Firmenchef General Suhardiman gemeinsam mit dem Leiter der indonesischen Staatssicherheit Yoga Sugama nach Jerusalem reiste, um über weitere Waffengeschäfte zu verhandeln. Um mit Rohdiamanten zu handeln, gründeten im Oktober 1968 der Mossad und seine indonesischen Partner in Hongkong eine gemeinsame Firma. Geschäftspartner der Israelis war ein gewisser General Ali, vermutlich Ali Murtopo, Leiter der geheimen indonesischen Spezialeinheit OPSUS. Als Jahrzehnte später der israelische Ministerpräsident Itzhak Rabin 1993 Indonesien besuchte und sich in Jakarta mit Diktator Suharto traf, war es keineswegs seine erste Begegnung mit hochrangigen Mitgliedern der indonesischen Staatselite. Denn Teil des erwähnten Israel-Besuchs von General Yoga Sugama 1967 waren auch Treffen mit Außenminister Abba Eban gewesen – und mit Generalstabschef Itzhak Rabin.

Widersprüchliche Beziehungen

Dem Treffen von Rabin und Suharto scheint eine lange Phase der zwischenstaatlichen Kooperation vorausgegangen zu sein, deren Einzelheiten bis heute im Dunkeln liegen. Bekannt ist, dass Israel der indonesischen Armee Anfang der 1980er-Jahre zwei Dutzend ausgemusterte Skyhawk-Kampfjets verkaufte. Entsprechend dämpfte die indonesische Staatsführung während der Suharto-Diktatur, die bis 1998 andauerte, ihre Kritik an Israels Umgang mit den Palästinensern. Diese wurde dann umso lauter von einheimischen islamistischen Organisationen geäußert. Auch die nachfolgenden indonesischen Regierungen meinten, auf die Islamisten Rücksicht nehmen zu müssen, wenn sie wiederholt und auch in jüngster Zeit die Möglichkeit einer Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel unter Verweis auf den ungelösten Nahostkonflikt ausschlossen. Auch sind Einreiseerlaubnisse vor allem für israelische Urlauber immer wieder eingeschränkt worden. Der bilaterale Handel hingegen scheint zu blühen. Zuletzt schätzte ihn das israelische Außenministerium auf rund 500 Millionen Dollar jährlich. Laut israelischen und indonesischen Presseberichten gehören, wenngleich in begrenztem Umfang, auch Rüstungsgüter aus Israel dazu.

Dieser Beitrag erschien zuerst im medico-Rundschreiben 3/2022. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. Jetzt abonnieren!

Joseph Croitoru

Joseph Croitoru ist Historiker und als solcher Autor vieler Bücher, u.a. 2021 erschienen ist sein Buch „Al-Aqsa oder der Tempelberg“, das sich mit 3000 Jahren Kampf um Jerusalems heilige Stätte beschäftigt. Als langjähriger Autor für die FAZ und NZZ hat er sich einen Namen als unbestechlicher Chronist von Kultur und Politik in Israel und Palästina gemacht. 

Veröffentlicht am 28. September 2022

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