Nachdem die Türkei zunächst an der syrischen Grenze auf fast 900 Kilometern eine hochaufgerüstete Grenzanlage errichtete, gibt es inzwischen auch an der Grenze zum Iran – der Fluchtroute aus Afghanistan – eine drei Meter hohe Mauer. Finanziert nach Angaben des türkischen Migrationsministeriums zum Teil von der Europäischen Union.
Wem trotz aller Hindernisse die Flucht bis in die Türkei gelingt, muss inzwischen mit einer Auslieferung an die Taliban rechnen. Der Generaldirektor für die Bekämpfung irregulärer Migration und Abschiebungsangelegenheiten, Ramazan Seçilmen, erklärte im Dezember 2022, dass in jenem Jahr 61.617 Menschen nach Afghanistan abgeschoben worden seien.
Einer, der abgeschoben wurde, ist Mohammad Javad Jafari. Der 24-jährige Afghane war 2020 in die Türkei geflohen, um sich weiter nach Europa durchzuschlagen. Jafari ist Angehöriger der ethnischen Minderheit der Hazara, die seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan noch einmal mehr in Lebensgefahr sind als zuvor schon. Als er versuchte, von der Türkei aus nach Griechenland zu gelangen, wurde er von der türkischen Polizei gefasst und in das Abschiebegefängnis in Bursa am Marmarameer gebracht – ein weiterer von der EU mitfinanzierter Bau. Die Gefängniswärter in Bursa arrangierten einen Videocall nach Afghanistan und führten Jafari den Taliban vor. Innerhalb weniger Minuten hätten diese seiner Abschiebung nach Afghanistan zugestimmt, erzählt Jafari, vermutlich wegen seines äußeren Erscheinungsbildes, das ihn als Hazara erkennbar mache. Die Taliban sind nicht nur online in der Türkei präsent. Anwält:innen berichten, dass „afghanische Diplomaten“ systematisch die Abschiebegefängnisse in der Türkei besuchen.
Die Bundesregierung hat nun zwar ein Aufnahmeprogramm für „besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen“ aufgesetzt, dies gilt jedoch nicht für Menschen, die es bereits in Drittstaaten wie die Türkei geschafft haben. Und selbst wenn afghanische Flüchtlinge aus eigener Kraft in die EU gelangen, haben sie kaum eine Chance auf Sicherheit: Im Zuge des EU-Türkei-Deals wurde die Türkei als „sicherer Drittstaat“ deklariert. Somit können afghanische Flüchtlinge ohne inhaltliche Prüfung ihres Asylantrags aus Griechenland in die Türkei zurückgeschickt werden – und von dort weiter nach Afghanistan.