VN-Konferenz verweigert Verbotsverhandlungen über Streumunition und Landminen

Aktionsbündnis Landmine.de: Nichtregierungsorganisationen unterstützen Norwegens Vorschlag einen neuen "Ottawa-Prozess" für Streumunition zu starten

17.11.2006  

Berlin/Genf (17.11.2006) Die Überprüfungskonferenz zur "VN-Konvention über konventionelle Waffen (CCW)" in Genf endete am heutigen Freitag enttäuschend. Besonders die ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrates, die sog. "G5-Gruppe", verweigerten hartnäckig Verhandlungen über neue Protokolle zu Streumunition und Antifahrzeugminen. Die gut 100 CCW-Staaten verständigten sich deshalb lediglich auf einen unverbindlichen Meinungsaustausch über die Möglichkeiten der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts. Der Meinungsaustausch soll dabei besonders die technische Zuverlässigkeit von Streumunition und die mit einem Einsatz dieser Waffen verbundenen humanitären Konsequenzen thematisieren. Eine Gruppe von 32 Staaten konnte sich mit ihrer Forderung nach konkreten Verhandlungen über ein Streumunitionsverbot nicht durchsetzen, da dafür eine Konsensentscheidung notwenig ist. Auch das Europaparlament hatte noch vor Konferenzende die EU-Staaten aufgefordert für ein weltweites Verbot von Streumunition zu stimmen. Das IKRK sprach sich für ein sofortiges Ende des Einsatzes dieser Waffen aus.

"Wieder einmal hat sich VN-Waffenkonvention als ungeeignetes Forum erwiesen, humanitäre Probleme, die mit dem Einsatz von Streumunition und Landminen verbunden sind, angemessen zu adressieren", beklagt Thomas Küchenmeister vom Aktionsbündnis Landmine.de. Deutschland bezeichnete die VN-Waffenkonvention hingegen als ideales Forum, welches in den letzten 20 Jahren zur Stärkung des humanitären Völkerrechts beigetragen hat.

Norwegen hatte aus Enttäuschung über das Konferenzergebnis dazu aufgerufen, einen neuen Verhandlungsprozess außerhalb der Waffenkonvention zu initiieren. "Deutschland muss jetzt der norwegischen Initiative folgen und einen neuen "Ottawa-Prozess" für Streumunition unterstützen, wie bei den Antipersonenminen", fordert Thomas Gebauer von medico international. Das Aktionsbündnis Landmine.de fordert die Bundesregierung auf, zu diesem Zweck in 2007 eine Konferenz über ein Verbot von Streumunition zu veranstalten. Auch die über 180 in der Cluster Munition Coalition (CMC) zusammengeschlossenen Nichtregierungsorganisationen riefen dazu auf, der Initiative Norwegens zu folgen.

"Gerade angesichts der aktuellen humanitären Situation im Libanon ist es unbegreiflich, dass es überhaupt Staaten gibt, die Verbotsverhandlungen über Streumunition ablehnen", beklagt Gebauer. Nach UNO Angaben hat Israel 3-4 Millionen Streumunitionen im Libanon eingesetzt, was bis heute mindestens 160 Opfer gefordert hat. Nachweisbar fielen laut einer Studie von Handicap International bislang weltweit über 11.000 Menschen Streumunition zum Opfer, wobei die Dunkelziffer auf ca. 100.000 geschätzt wird.

Um einen solchen "Ottawa-Prozess" zu verhindern, hatte die britische Delegation noch kurz vor Ende der Konferenz den Kompromissvorschlag in Form des unverbindlichen Meinungsaustausches eingebracht. Ein US Diplomat hatte angekündigt, dass sich die USA jedem Versuch Streumunition auf die Tagesordnung zu nehmen widersetzen werden. Die USA betrachten Streumunition als Waffe mit hohem militärischem Wert, die nicht verboten, sondern zuverlässiger gemacht werden sollte. Diese Meinung vertritt auch die Bundesregierung, die sich für Verhandlungen im Rahmen der VN-Waffenkonvention ausgesprochen hatte. Außenminister Steinmeier setzte sich zudem vor Verhandlungsbeginn im Deutschen Bundestag für ein Verbot von Streumunition ein. Während der Konferenz sprach sich Deutschland aber nur für Verhandlungen über ein Abkommen aus, welches eine höhere Zuverlässigkeit von Streumunition festschreibt und Einsatzbeschränkungen in Bezug auf zivile Gebiete regelt. Deutschland verfügt nach wie vor über mehr als 30 Millionen Streumunitionen.

Streumunition, die über eine Blindgängerrate von weniger als einem Prozent verfügt, bezeichnet die Bundesregierung als für Zivilisten ungefährlich. "Angesicht der Situation im Libanon ist es absolut inakzeptabel zwischen ungefährlicher und gefährlicher Streumunition zu unterschieden", sagt Francois de Keersmaeker von Handicap International. Laut UNO werden hunderte Streumunitionsblindgänger im Libanon von angeblich ungefährlicher Munition verursacht. Wie ein solcher Abrüstungsschritt verifiziert werden soll, ist allerdings fraglich, da das deutsche Verteidigungsministerium Testergebnisse von Streumunitionen geheim hält.

Während der Konferenz trat das Protokoll V der VN-Waffenkonvention in Kraft. Es verpflichtet zwar die Vertragsstaaten zur Markierung und Beseitigung von Blindgängermunition, bleibt darüber hinaus aber unverbindlich. Hilfestellungen bei der Behandlung der von Kampfmittelrückständen ausgehenden Probleme sind ebenso freiwillig zu leisten, wie auch Warnungen an die Zivilbevölkerung vor explosiven Kampfmittelrückständen. Präventive Maßnahmen, wie z.B. Einsatzverbote für Streumunition, hält das Protokoll V nicht bereit, weshalb es von vielen Staaten und Nichtregierungsorganisationen aus völlig unzureichend bezeichnet wird. 25 Staaten haben das Abkommen unterzeichnet, die USA, China, Russland und Israel gehören nicht dazu.

Verbotsverhandlungen in Bezug auf Antifahrzeugminen scheiterten am Widerspruch der USA und Russlands. Deutschland sprach sich in diesem Zusammenhang für Verhandlungen über ein völkerrechtlich verbindliches Protokoll aus, welches den Einsatz von Antifahrzeugminen weiterhin zulässt, aber die Detektierbarkeit der Minen sicherstellt, ebenso wie deren begrenzte Wirkzeit. "Auch wenn von detektierbaren und wirkzeitbegrenzten Antifahrzeugminen nur wenige Tage lang Gefahr ausgehen sollte, dürfte dies aller Erfahrung nach ausreichen, verheerende Unfälle auch mit Zivilfahrzeugen zu verursachen. Kriegverläufe sind eben nicht programmierbar, " kritisiert Thomas Küchenmeister. Auch Antifahrzeugminen haben bislang weltweit zehntausende Opfer gefordert.

Kontakt

  • Thomas Küchenmeister, Leiter Aktionsbündnis Landmine.de AL.de (in Genf 0175/4964082 oder 030/32661681),
  • Thomas Gebauer, Geschäftsführer medico international, Vorstand AL.de (0172/690 6219)
  • Francois de Keersmaeker Geschäftsführer Handicap International, Vorstand AL.de (089/547606-14)

 


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