Kampf gegen Ebola

Eine Frage der Menschenrechte

Über die Ursachen der Ebola-Epidemie und den Einsatz des medico-Partners NMJD in Sierra Leone für Aufklärung und gegen Ausgrenzung.

Seit Sommer 2014 hat das Ebola-Virus die Region am Fluss Mano fest im Griff, jenes Dreiländereck, zu dem Liberia, Guinea und Sierra Leone gehören und das nur in einer Hinsicht die Ranglisten anführt: Die Gesundheitssysteme der drei Länder gehören zu den schwächsten der Welt. Mit bestätigten 25.050 Erkrankten und 10.340 Todesfällen (Stand 1.3.2015) übertrifft die Epidemie alle bisherigen Ausbrüche des seit 1976 bekannten Virus.

Die Ursachen für diese Katastrophe sind untrennbar mit sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen verbunden. Eine jahrzehntelange nationale und internationale Politik, in der die elementaren Bedürfnisse der Bevölkerung vernachlässigt wurden, schuf beste Voraussetzungen für die rasante Verbreitung des tödlichen Virus. Die Abbaurechte der Bodenschätze Westafrikas, wie Gold, Diamanten, Rutil und Bauxit, werden zu günstigen Bedingungen an internationale Unternehmen vergeben, ohne dass diese durch Verträge zu Reinvestitionen verpflichtet würden – während die Gesundheits- und Bildungssysteme darben.

Je ärmer, desto gefährdeter

In den rohstoffreichen Regionen werden massenhaft Menschen vertrieben und enteignet. Armutswanderungen und die Abholzung von Waldgebieten haben ebenfalls dazu beigetragen, dass Menschen in immer größerer Nähe zu den das Ebola-Virus übertragenden Wildtieren leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Virus vom Wirtstier auf den Menschen überspringt, stieg damit – allerdings primär für die betroffenen armen Bevölkerungsgruppen.

Auch die Gefahr, sich bei anderen Menschen anzustecken, ist extrem ungleich verteilt: Während Wohlhabende in großzügigen Häusern leben und eigene Fahrzeuge haben, wohnen in den Armenvierteln ganze Familien in winzigen Hütten und fahren in überfüllten Sammelbussen. Je ärmer die Menschen sind, desto gefährdeter sind sie.

Mitverantwortlich für die rasche Ausbreitung des Virus war, dass das ohnehin bestehende und allzu oft berechtigte Misstrauen der Bevölkerung gegenüber dem Staat und seinen Behörden durch die autoritäre Art der Seuchenbekämpfung verstärkt wurde. Vielerorts wurden ganze Viertel abgeriegelt, ohne die eingeschlossenen Menschen ausreichend zu versorgen.

Widerstand gegen Schutzmaßnahmen

Statt aufzuklären, wurden allzu oft Zwangsmaßnahmen (Abtransport von Kranken und Toten, Desinfektionen) verordnet und durchgesetzt. Schutzmaßnahmen stießen auf Widerstand und wurden nicht befolgt. Hierin zeigt sich, wie wichtig Vertrauen für eine wirksame Seuchenbekämpfung ist – Vertrauen, wie es sich der medico-Partner Network Movement for Justice and Development (NMJD) durch seinen langjährigen Einsatz an der Seite der Entrechteten erworben hat.

Bereits zu Zeiten des Bürgerkriegs haben seine Mitglieder unter großer Gefahr für einen gerechten Umgang mit dem Rohstoffreichtum des Landes gekämpft und den Ausbau von örtlichen Gesundheitsstationen gefordert. Das hat dafür gesorgt, dass sich die vielen Helfer und Aktivisten des NMJD mit großem Erfolg gegen die Ausbreitung der Seuche engagieren konnten.

Ebola ist eingedämmt, aber nicht besiegt

Ihre Arbeit reichte von der Schulung und Koordination freiwilliger Gesundheitsarbeiter, die von Tür zu Tür gingen und die Menschen informierten, über Aufklärungssendungen im Radio bis hin zum Aufbau von Beratungszentren. Diese Mobilisierung der lokalen Strukturen hat entscheidend zu einem friedlichen Miteinander, zum Abbau von Ängsten und zur Akzeptanz von Vorbeugemaßnahmen beigetragen.

NMJD widmet sich auch dem Kampf gegen die Stigmatisierung von Überlebenden, die aus Unwissenheit von den eigenen Familien ausgeschlossen wurden. Beharrlich erklärten die Aktivisten den Menschen, dass von ihren Angehörigen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Und sie haben es gezeigt, indem sie auf lokalen Versammlungen Überlebende demonstrativ umarmt haben. Kleine Gesten mit großer Wirkung.

Ende 2014 war die Epidemie in Sierra Leone eingedämmt, aber nicht besiegt. Und an den Ursachen ihres Entstehens hat sich nichts geändert. Umso wichtiger ist es, sich nicht damit zu begnügen, das Elend abzufedern, sondern mit der Schaffung globaler Umverteilungsmechanismen für eine Gesundheitsfürsorge zu streiten, die allen Menschen zugänglich ist und ein Leben in Würde ermöglicht.

Anne Jung

Veröffentlicht am 28. Mai 2015

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