Weihnachtsgeschichte 2004

Rechtstitel für die globalisierten Armen

Wer als Armer auf öffentlichem Land etwas bauen will, muß lange warten. Die Lizenz zum Betrieb einer projektierten Schneiderei am Stadtrand von Lima ist nach 300 Tagen á 6 Stunden täglichen Einsatzes erteilt. Der Tarif für Arme: 1232 Dollar oder 31 Mindestmonatslöhne. An die 6 Jahre und 11 Monate plus 207 Amtsterminen kostet die Baubewilligung. Wer in den Philippinen ähnliches betreibt, hat sich auf 168 Termine bei 53 Ämtern einzurichten. Der Erwerb eines (seit Jahren bearbeiteten) Stücks ägyptischen Wüstenbodens führt über 77 Termine 5 bis 14 Jahre lang durch 31 offizielle Büros. Ergebnisse einer Recherche des in Lima befindlichen »Institute of Liberty and Democracy« zum Normalbefinden auf unserem Planeten: In Brasilien gehen von der gesamten Bautätigkeit 70% illegal vonstatten. Bei 3 von 4 Gebäuden existieren keine beurkundeten Eigentumsverhältnisse. Bei Wohnhäusern liegt der Anteil ohne Besitztitel bei 80%. In Ägypten bei 83% auf dem Land, bei 92% in der Stadt. In Mexiko City existieren neben 167000 Kleinbetrieben rund 300000 unregistrierte, die 8 Mio. der 20 Millionen Einwohner ernähren. In den Ländern des Südens sind bis zu 75% der Arbeitenden im informellen Sektor tätig und erwirtschaften je nach Land von einem Fünftel bis zwei Dritteln des Sozialprodukts.

Legalität ist Marginalität, Illegalität die Norm

Zwei Drittel der Menschheit sind arm: nicht weil sie keine Häuser bauen oder kein Gewerbe treiben würden. Im Gegenteil, das tun sie fast ausnahmslos, mit übermenschlicher Geduld und Unermüdlichkeit. Arm sind sie, weil sie an ihren Häusern und Betrieben, an Mitteln der Produktion und Reproduktion, keine verbrieften Rechte geltend machen können. Ihre offiziell inexistenten Vermögenswerte fungieren als »Totes Kapital«: global 9300 Milliarden Dollar (Quelle: ILD). Das entspricht dem 93fachen der gesamten westlichen Entwicklungshilfe an die armen Länder seit 1990 – oder den globalen Rüstungsausgaben für 10 Jahre. Das Dilemma der Armen ist nicht die Armut, sondern die Verweigerung der Rechte auf die anerkannte Verfügung über ihre Produktivität, ihren Reichtum.

Dagegen steht unser nicaraguanisches Experiment »El Tanque«. Lebendiges Modell des Kampfes für eine andere Welt. Noch dazu mit amtlich registrierten Landtiteln. Sie können es gern unterstützen. Spendenstichwort: »NICARAGUA«.

Veröffentlicht am 01. November 2003

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