Portrait: Mahmoud Abu Rahma vom Al Mezan Center for Human Rights

Gaza: Zivilgesellschaft in Ausnahmenzustand

Mahmoud Abu Rahma will kein Mitleid. Er unterliegt nicht der Verlockung, sich selbst klagend und seine Heimat Gaza als passives Opfer der Geschichte darzustellen. Nein, Mahmoud Abu Rahma ist ein weltoffener Jurist, mit dem man sich fachlich auf höchstem Niveau über Fragen der Menschenrechte und des Völkerrechts austauschen kann. Mahmoud Abu Rahma gehört zu einer neuen Generation palästinensischer Aktivisten, die ihre politische Haltung mit Wissen über die Welt und fachlicher Kompetenz angereichert haben. Einzig sein endloser Zigarettenkonsum gibt einen Hinweis darauf, dass die konkreten Umstände seiner Arbeit zuweilen extrem belastend sind. Es ist kein Bürojob, den er und seine Kollegen der Menschenrechtsorganisation Al Mezan verrichten; so dokumentierten sie während der israelischen Angriffe auf Gaza im Winter 2008/09 die Folgen für die Zivilbevölkerung. Sie gingen in die Gemeinden, sprachen mit den Menschen und überprüften ihre Berichte. Als Bewohner Gazas ist er auch selbst betroffen: Seine eigenen Kinder fühlten sich auch zwei Jahre nach dem Angriff zu Hause so unsicher, dass die Familie umziehen musste. Noch heute schrecken sie nachts auf, wenn ein Auto vorbei fährt. Der in Großbritannien ausgebildete Jurist weiß genau, welche Verantwortung Europa dafür trägt, wenn israelische Menschenrechtsverletzungen allenfalls nachlässig gerügt, aber nie juristisch angeklagt werden. Doch wenn er mit einer von medico organisierten Delegation auf dem Parkett des politischen Berlins im Bundestag spricht, so ist er immer derjenige, der freundlich einklagt, was jedem Menschen zusteht: Das Recht, Rechte zu haben – eben kein Mitleid.

Der Widerstand gegen die Blockadepolitik der Besatzungsmacht Israel hält Mahmoud nicht davon ab, die eigene De-facto-Regierung zu kritisieren. Er aktiviert die Zivilgesellschaft gegen Einschränkungen der Bürgerrechte, die die Hamas mit religiös verbrämten Argumenten begründet, und unterstützt Oppositionelle, die von der Hamas drangsaliert werden. Dabei lässt er sich nicht davon abschrecken, dass die Hamas auch mit Knüppeln gegen missliebige Kritiker vorgeht. Weder Israel noch die Hamas sollen Gaza zu einem Ort des ständigen Ausnahmezustands machen. Mahmoud hat keine Berührungsängste sich mit jüdisch-israelischen Kollegen zu verbünden und mit ihnen auch in der Kneipe zu sitzen. Denn ihm geht es um die eine Welt, in der die universellen Menschenrechte gelten.

Veröffentlicht am 17. Januar 2012

Jetzt spenden!