Pakistan Institute for Labour Education & Research (PILER)

Ein fester Knoten im Netzwerk der Demokratisierung

Die Forschungs-, Advocacy- und Kampagnenorganisation PILER entstand 1982 aus dem Widerstand gegen die von den USA gestützte Militärdiktatur des Generals Zia ul-Haq und die von ihr gewaltsam betriebene Einführung des Islamismus. In enger Abstimmung mit den Gewerkschaften von linken Akademikerinnen und Akademiker gegründet, unterstützte PILER die von der Diktatur massiv bedrängte Gewerkschaftsbewegung und initiierte zugleich Menschenrechts- und Frauenorganisationen. Stand dabei zunächst die materielle und rechtliche Lage von Arbeiterinnen und Arbeiter im Fokus, wurde PILER schließlich zu einem der wichtigsten Knotenpunkte eines breiten zivilgesellschaftlichen Netzwerks, das sich zu brisanten Themen wie der Land-Stadt-Migration, den Geschlechterverhältnissen oder übergreifenden Demokratiefragen engagiert und mittlerweile zu einem relevanten Faktor demokratischer Öffentlichkeit in Pakistan geworden ist. Ein besonderer Schwerpunkt PILERs ist die gezielte Förderung eigenständiger grassroots-Organisationen, für die regelmäßige Fortbildungsprogramme, aber auch eine umfassende Rechtshilfe bereitgestellt werden.

Nach den Fluten leistete PILER zeitweise Nothilfe in mehreren Camps in Karatschi und Hyderabad, hat diese Projekte dann aber an pakistanische und internationale Hilfsorganisationen übergeben, um sich wieder auf die eigenen Aufgaben konzentrieren zu können. Dazu gehört jetzt eine umfassende Untersuchung der Lebens-, Arbeits- und Wohnverhältnisse von rund 3.000 Flutüberlebenden, von denen die meisten gegenwärtig noch in Flüchtlingslagern leben müssen. Gestützt auf diese und andere Forschungen hat PILER zugleich eine landesweite Kampagne initiiert, in der der Zusammenhang zwischen den miserablen Lebensbedingungen der Flutüberlebenden und der allgemeinen sozialen, ökonomischen und rechtlich-politischen Lage der Landbevölkerung offen gelegt wird. Ein von PILER koordinierter und ebenfalls landesweit angelegter zivilgesellschaftlicher Austausch- und Beratungsprozess führte schließlich zur Ausarbeitung der Citizens’ Charta, der sich mittlerweile über 90 pakistanische NGOs angeschlossen haben – darunter auch der größte pakistanische medico-Partner, die sozialmedizinische Hilfs- und Entwicklungsorganisation HANDS.

Von medico geförderte PILER-Aktivitäten:

medico wird die Forschungs-, Bildungs-, Advocay- und Kampagnenarbeit von PILER in den nächsten Jahren mit über 800.000 € fördern. Den Ausgangspunkt bilden dabei die in der Citizen’s Charta niedergelegten Forderungen sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Organisationen, nach denen der Wiederaufbau der von den Fluten heimgesuchten Regionen Pakistans vor allem durch eine Landreform, aber auch durch die systematische Stärkung der sozialen und politischen Rechte der landlosen Bäuerinnen und Bauern gestützt werden soll. Allgemeines politisches Ziel ist ein „Neuer Sozialvertrag“ als rechtliche und politische Grundlage einer demokratischen Entwicklung. Dessen Eckpunkte sind neben der dringend nötigen Landreform und der Streichung der den landlosen Bäuerinnen und Bauern aufgezwungenen Pacht- und Kreditschulden die systematische Ermächtigung und Selbstermächtigung der Frauen, der Jugendlichen, der Kinder und der ethnischen und religiösen Minderheiten. Dazu gehören ein umfassendes System der sozialen Sicherung sowie der Auf- und Ausbau des Gesundheits- und Bildungswesens und die Schaffung und Sicherung demokratischer Öffentlichkeit. Die finanziellen Mittel sollen auch durch die Streichung der Auslandsschulden und eine rigorose Senkung des Verteidigungsbudgets freigestellt werden.

Erstes politisches Ziel ist die Demokratisierung und Dezentralisierung des Wiederaufbaus selbst, in dem auch und gerade die ausländischen Hilfsorganisationen und Geber zur Zusammenarbeit und Abstimmung mit der pakistanischen Zivilgesellschaft und ihren Selbstorganisations- und Selbstverwaltungsstrukturen verpflichtet werden sollen. Nahziele sind die Aufrechterhaltung und der qualitative Ausbau der Flüchtlingslager, eine umfassende individuelle Entschädigung der Flutüberlebenden sowie ein auf ihre Nöte und Bedürfnisse ausgerichteter Aufbau einer demokratisch legitimierten Lokal- und Regionalverwaltung. Angesichts der Verletzlichkeit und fortgesetzten Gefährdung der Menschen vor allem des Südens Pakistan durch weitere Naturkatastrophen sind systematische Maßnahmen der Katastrophenprävention (Disaster-Management und –Preparedness) Teil und Voraussetzung eines gelingenden Wiederaufbaus.

Die weitgespannten Ziele des von der Citizens’ Charta-Kampagne eingeforderten „Neuen Sozialvertrags“ will PILER zunächst mit der eigenen Forschungs- und Untersuchungsarbeit befördern, in der es nicht nur um die systematische Auswertung aller verfügbaren Erkenntnisse über die Lage der Flutüberlebenden, sondern auch um die Ausarbeitung eines mit den Betroffenen selbst abgestimmten Maßnahmenkatalogs geht. Um die zugleich in Urdu und Sindhi ausformulierten Forschungs- und Beratungsergebnisse zugleich den grassroots-Intitiativen und sozialen Bewegungen, den NGOs, den Medien, der Wissenschaft und den politischen Parteien und Institutionen zugänglich zu machen, wird PILER eine breite Palette geeigneter Bildungs-, Advocacy- und Kampagnenaktivitäten starten, die in den nächsten Jahren auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene umgesetzt werden.

Veröffentlicht am 24. Juli 2012

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