Irak: Zur Geschichte eines technisierten Monstrums

Saddam Hussein hat Alles, weil Alle ihm alles lieferten

Der erste Giftgasangriff auf eine Stadt überhaupt (Halabja 1988), war ein bürokratisch organisiertes, routinemäßig vollzogenes modernes Menschheitsverbrechen. Der wichtigste Lieferant der irakischen C-Waffenproduktion war Deutschland. »Wie keine andere Nation haben die Deutschen Saddam Hussein flächendeckend mit hochgefährlichem Zeug ausgestattet.« (Rickelmann, Exporteure des Todes, 1990). Das Warum beantwortet Staatssekretär von Würzen (BMWi): »Wir hoffen auf engere Zusammenarbeit, Iraks Ostflanke ist bedroht, es besteht die Gefahr eines israelischen Präventivschlages. Die HERMES-Deckungsmöglichkeiten sollten angewandt werden.« (AA Bericht, 15.12.1988). Gesamtdeutschland, auch die DDR, sowie die USA umgingen auf illegale Weise sämtliche internationale Bestimmungen (Proliferation), welche die Lieferung oder Weitergabe von Massenvernichtungsmitteln verbaten. Und »Die Vereinten Nationen haben dann den Anspruch des irakischen Regimes auf die Hoheitsgewalt des Genozids an Bevölkerungsgruppen sanktioniert« (Leo Kuper, Genocide, 1981). Bei den Anfal-Giftgas-Operationen Saddams kamen zwischen Februar und September 1988 100 000 Menschen ums Leben (Human Rights Watch). Kein Staat hatte vom Geschäft abgelassen. Nur Israel warnte. Erst im April 1991 konstituierte der UN-Generalsekretär die UNSCOM mit ihren 20 Mitgliedsstaaten zur Erfassung der irakischen Massenvernichtungspotentiale. »Ein bißchen schizophren, die Inspektoren der UNSCOM kommen zumeist aus Ländern, deren Kaufleute vor dem Golfkrieg die Waffen mit toller Rendite an den Irak verhökert haben.« (Hans Leyendecker, Südd. Zeitung, 25.11.1997). »Die für die Staaten, die Iraks Rüstungsindustrie aufgebaut hatten, hochbrisanten folgenden Berichte der UNSCOM wurden auf Initiative Deutschlands, der USA und der UN geheimgehalten« (Herald Tribune, 27.6.1991). Bekannt wurde dennoch, daß der C-Waffenkomplex Samarra hauptsächlich mit westdeutscher Technologie errichtet wurde. (Independend, 26.6.91). Die BRD hatte zwar im Pariser Protokoll von 1954 auf den Besitz von C-Waffen verzichtet, lieferte die Technologie aber an andere. Erst unter Druck gestand die Bundesregierung ein, daß der »Nachweis der Eignung der fraglichen Anlagen zur Produktion chemischer Kampfstoffe höchstwahrscheinlich zu führen sei.« (BT-Drucksache 12/487, 1991). Nun wurden einige Ermittlungsverfahren gegen Lieferfirmen eingeleitet. Die meisten Verfahren wurden eingestellt. Es ergingen 12 Bußgeldbescheide. Chemische Massenvernichtung wurde nach alter deutscher Tradition geahndet wie Falschparken. Die Überlebenden haben bis heute keine Gerechtigkeit erfahren.

Veröffentlicht am 01. November 2001

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