Frauen in Bewegung

Ein palästinensisch/libanesisches Frauenkomitee schafft erfolgreich Gesundheit

Ein Reisebericht von Andreas Wulf

Wie immer ist Rita voller Tatendrang, diesmal treffe ich sie zuerst in PARDs Büro in Saida, von dem aus die Aktivitäten in den informellen palästinensichen Siedlungen im Süden organisiert werden. Zuerst berichtet sie von dem medico finanzierten "Empowerment of local Communities" Programm.

Mit diesem Programm finanzierte PARD (Popular Aid for Relief and Development) die Arbeit ihrer Frauengruppen mit Schwerpunkt auf Engagement in ihren eigenen Gemeinden ("Empowerment"), das Training und die Incentives für lokale Freiwillige, die selbständig als Gesundheitsaktivisten, als Animateure im Sommerprogramm für die Kinder arbeiten und in Alphabetisierungskursen für Frauen arbeiten.

Dies sieht Rita als eine enorm wichtige Ergänzung zu den eher serviceorientierten Angeboten von PARD (Clinics, Gesundheitsdienste/Lehrgänge, Wasser/Abwasser, Müllentsorgung). Die positiven Showcases aus dem Jahresbericht, in denen von zwei Gemeinden berichtet wird, in denen die Frauengruppen aktiv die Verbesserung der Campumgebung (Schließung eines offenen Abwasserkanals, Begrünung ) ereichen konnten, und dabei erfolgreich die kommunalen libanesischen Behörden lobbyierten und Ressourcen bereitgestellt wurden, sieht sie als großen Erfolg ihrer jahrelangen Arbeit in diesen Gemeinden.

Ich besuche das Women Commitee in Nahr al Samer, die den stinkenden Abwasserkanal in ihrer (gemischten libanesischen / palästinensischen) Siedlung am Rande von Tyre erfolgreich eindämmen ließen.

Die Gruppe existiert seit ca 6 Jahren und entstand als eine der Gesundheitsaufklärungsgruppen von PARD. Eines der wichtigsten Gesundheitsprobleme in dieser Siedlung direkt an der Gemeindegrenze von Tyre war das ehemalige Flüsschen Nahr al Samer, das durch eine Schlachterei und eine Plastikfabrik zu einem stinkenden Abwasserkanal geworden war, der mitten durch die Siedlung hindurch floss, und nicht nur für unerträglichen Gestank, Ungeziefer und Infektionsgefahren sorgte, sondern auch schon zwei Kinder das Leben gekostet hatte, die beim Spielen in dieses Abwasser gefallen waren.

Das Frauenkomitee entschied sich, dass es dringend notwendig war, diese Gesundheitsgefahr anzugehen, nachdem jahrelang nichts passiert war und auch der (männliche) Gemeinderat nichts hatte ausrichten können. Sie klärten die Zuständigkeit für das Problem, ließen Wasserproben untersuchen und schafften es, einige wirksame Medienberichte (in Al Zafir, New TV) über diesen Missstand zu lanchieren, der ihnen entsprechende Aufmerksamkeit brachte. Schließlich erreichten sie damit einen Termin beim Bürgermeister von Tyre (Abu Zafer), der ihnen versprach, das Problem mit Priorität anzugehen, wenn er dafür Mittel finden würde. Ein weiteres Meeting wurde publikumswirksam zusätzlich mit Kindern aus der Siedlung arrangiert. Die Deutsche EZ reagierte positiv auf die Vorschläge und stimmte einer Baumaßnahme zur Schließung des Kanals zu, wenn es dabei verbindliche Zusagen der Stadt gäbe, endlich die Voraussetzungen für eine lange geplante Kläranlage zu schaffen, die im Rahmen der dt. EZ mit Libanon in den Plänen stand. Dies wurde von der Stadt unterschrieben und das Funding und Monitoring des Projekts durch deutschen Geber fand statt. Der Fluss/Kanal wurde in ein Betonbett mit Deckel gesetzt, der der Siedlung erstmals seit langem erträgliche Luft und den Kindern die Straße zum Spielen wiedergab. Der Bürgermeister kam sogar zu einem Lokaltermin und traf sich in Nahr al Samer mit dem Frauenkomitee, das auch während der Umsetzungsphase aktiv blieb, der durchführenden Baufirma auf die Finger schaute und mit ihnen die Detailausführungen der Pläne besprachen.

Seit drei Jahren sind die Bauarbeiten in ihrer Siedlung nun fertig. Es fehlt noch der Deckel für das Stück jenseits der Straße in Nahr al Samer, bevor die Abwässer in die Kanalisation von Tyre eingespeist werden. Drei Jahre insgesamt hat die ganze Geschichte gedauert, von den ersten Planungen des Komitees bis zum erfolgreichen Abschluss. Und es gab noch dazu hervorragende ungeplante Nebeneffekte: Die Stadt transportiert jetzt endlich auch den Müll in der Siedlung ordentlich ab, eine Stromleitung wurde gelegt, die Gemeinde zahlt jetzt dafür der Kommune die fälligen Gebühren, eine Telefonleitung ist im Gespräch, aber es bleibt auch weiterhin viel zu tun für das Nachbarschaftskomitee: die verursachenden Fabriken leiten ihre Abwässer immer noch ungeklärt ab, die existierenden Auflagen werden weiterhin mißachtet, auch dort wird hartnäckiger Druck weiter notwendig sein.

Auf die Frage, was ihre wichtigsten Erfahrungen aus dieser Geschichte sind, sagen die Frauen einhellig zweierlei:

  • Wir sollten nicht herumsitzen und auf Lösungen von anderen warten, sondern uns selbst engagieren
  • Eine allein ist nicht genug. Es brauchte die Erfahrung der Gruppe, um das zu bewerkstelligen

Und was sagen die Männer der Siedlung? Anfangs waren sie eher ablehnend und entmutigten die Frauen. Wer würde schon auf sie hören, in einem männerdominierten Land, wo es gerade mal zwei Parlamentarierinnen gibt und auch die nur, weil sie ihren Sitz von ihren verstorbenen Ehemännern quasi geerbt hätten. Aber sie ließen sie offenbar machen und mussten sehen, dass ihre Frauen viel erfolgreicher als sie selbst die modernen Medien und die Öffentlichkeit zu nutzen wussten. Heute seien sie stolz auf sie.

Auch wenn man vielleicht ein bisschen Lyrik für den Donor abziehen sollte, klingt es wie eine Erfolgsgeschichte, die zusätzlich ausstrahlt, andere Gemeinden wollen das Beispiel nachmachen, und hätten sich bereits nach dem "Rezept" für den Erfolg des Committees erkundigt. Wesentlich wird daran auch die engagierte PARD Mitarbeiterin sein, Fadia Dasha, eine junge palästinensische Krankenschwester aus Saida, die seit 4 Jahren bei PARD und mit dieser Gemeinde arbeitet, die hat ihre Ausbildung am UNRWA Vocational Training Centre in Sibbline gemacht und anschließend noch eine Aufbaukurs in Public Health gemacht. Eine Fortsetzung der medico-Unterstützung würde sie nach diesem Erfolg natürlich sehr freuen.

Projektstichwort

Die Arbeit von PARD mit den Frauenkomitees können Sie unterstützen mit dem Stichwort: Libanon.

 

Veröffentlicht am 06. November 2009

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