Erfahrungsaustausch und Weiterbildung

Aufbau eines Ausbildungszentrums der Landlosenbewegung (MST)

„Was wir brauchen, ist ein radikal anderes Entwicklungsmodell: eines, das nicht auf Agrar-Exporte ausgerichtet ist, sondern einer genossenschaftlich und ökologisch orientierten Produktion für die lokalen Märkte Vorrang einräumt“, betonte Delwek Matheus bei seinem Besuch im Frankfurter Büro von medico. Delwek ist Mitglied der Nationalen Koordination der brasilianischen Landlosenbewegung MST, der es gelungen ist, für bislang 420.000 Familien Land zu erkämpfen.

Der Aufbau der „Nationalen Schule Florestan Fernandez“ (ENFF) wurde der Landlosenbewegung MST initiiert. Die Bundesschule der Landlosenbewegung ist juristisch und organisatorisch eine eigenständige Körperschaft, programmatisch und konzeptionell ist sie mit den hauptsächlichen Zielsetzungen des MST verbunden. Die „Nationale Schule Florestan Fernandez“ ist als brasilienweit wirkendes Schulungs-, Studien- und Ausbildungszentrum der Landlosenbewegung konzipiert. Zahlreiche seiner Programme und Projekte werden in Zusammenarbeit mit brasilianischen und internationalen Organisationen durchgeführt. Zu ihren Zielen gehören Multiplikatoren und Basisaktivisten der Agrarreform zu stärken und praxisnah aus- und weiterzubilden, Studien und Analysen zu fördern, Capacity-Building und Netzwerkbildung auf den verschiedenen Ebenen der Landlosenbewegung zu stärken, zur Entwicklung von Handlungs- und Lösungsstrategien beizutragen, Formen von Selbstorganisation und Selbsthilfe zu qualifizieren sowie das bislang Erreichte zu dokumentieren.

Die von der Schule durchgeführten Kurse sind unmittelbar auf die Notwendigkeiten und Bedürfnisse der armen Landbevölkerung zugeschnitten und verbinden Theorie und Praxis. Dem MST ist dabei der regionale und sektorale Erfahrungsaustausch sehr wichtig. Für die meisten der Teilnehmer sind die Kurse in der ENFF die einzige Möglichkeit, die unterschiedlichen Bedingungen der Kleinbauern in den verschiedenen Bundesstaaten kennen zu lernen und Erfahrungen auszutauschen.

Dabei wird auch die Zusammenarbeit mit brasilianischen Universitäten angestrebt. Obwohl die ENFF aktuell noch in der Konsolidierungsphase ist, konnte sie bislang schon Abkommen mit 43 brasilianischen Universitäten abschließen, die (für die Schule kostenfrei) Dozenten entsenden.

Dem MST ist es bislang in 24 Bundesstaaten gelungen, 1800 so genannte „Camps“ (ehemalige -in Übereinstimmung mit der brasilianischen Verfassung- durchgeführte Landbesetzungen von brachliegendem Land) in legalisierte Ansiedlungen der Agrarreform zu überführen. Aus diesen Ansiedlungen entstehen Dörfer, die schrittweise über sämtliche notwendige Infrastruktur wie Schulen, Elektrizität, Wasserversorgung und Entsorgung etc. verfügen sollen. Ohne Zweifel besteht dabei auch im Bereich von Basisgesundheitsversorgung und Basisgesundheitserziehung ein großer Bedarf an Stärkung von fachlichen und organisatorischen Kapazitäten. Trotz großer regionaler Unterschiede ist die staatliche Gesundheitsversorgung vor allem in den ländlichen Regionen sehr prekär. Durch die großen räumlichen Distanzen ist der Zugang zu öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zusätzlich erschwert. Medikamente sind teuer, private Ärzte für Millionen von Kleinbauern und Landlosen unbezahl- und unerreichbar. Die Landlosenbewegung versucht durch eine „Doppelstrategie“ zur Verbesserung der Basisgesundheitsversorgung beizutragen: Einerseits werden durch Eigenanstrengungen und Selbstorganisation auf lokaler und regionaler Ebene praktische Möglichkeiten zur nachhaltigen Verbesserung der Basisgesundheit unter ländlichen Bedingungen entwickelt. Andererseits soll der brasilianische Staat keineswegs aus seiner - verfassungsmäßig festgeschriebenen- Pflichtn genommen werden, das Recht auf Gesundheit aller seiner Bürgerinnen und Bürgern zu sichern.

Deshalb werden ebenso Anstrengungen unternommen, auf „öffentliche Politik“ und staatliche Instanzen einzuwirken und eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und des staatlichen Gesundheitssystems (SUS) durchzusetzen. Beide sich ergänzende Handlungsstränge zielen auf eine konkrete Verbesserung der Gesundheitsbedingungen und der lokal und regional spezifischen Entwicklungsmöglichkeiten. Gesundheitserziehung und Selbstorganisation zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung sind diesbezüglich wichtige Baussteine. Die lokalen und regionalen Gesundheitsinitiativen und die über 30 regionalen Ausbildungszentren der Landlosenbewegung nehmen dabei eine zentrale Rolle ein.

Der MST hat die Erfahrung gemacht, dass zur Stärkung der lokalen Gesundheitsakteure (Promotoren, agentes de saúde) auch der Erfahrungsaustausch über lokal/regional unterschiedliche Methoden und Erfahrungen von großer Bedeutung ist. Die ENFF setzt hier an und will zur Stärkung der fachlichen und organisatorischen Kapazitäten von Gesundheitsakteuren in 24 Bundesstaaten Brasiliens beitragen. Die Durchführung eines zehntägigen Treffens von 50 AktivistInnen des Gesundheitssektors aus allen Regionen ist geplant.

Ziel des Kurses ist es, alternative Heilmethoden zu verbreitern um den Familien in den MST Ansiedlungen ein gesünderes Leben zu ermöglichen und die politische Bildung der Gesundheitsaktivisten zu vertiefen. Dazu sollen Kenntnisse in Pflanzenheilkunde, Bioenergetik und Homöopathie sowie Gesundheitspolitik vertieft und ausgetauscht werden.

Projektstichwort

medico international fördert die Gesundheitsarbeit des MST seit mehreren Jahren. Bei allen Projekten geht es darum, konkrete Maßnahmen der Gesundheitsförderung wie die Wasseraufbereitung oder den Heilpflanzen-Anbau mit der Schulung von Gesundheitsverantwortlichen zu verbinden. Der Bildungsansatz ist nun erweitert um die Kooperation mit der zentralen MST-Schule Florestan Fernandez und einem zentralen Ausbildungskurs für Gesundheitsarbeiter aus allen Regionen des Landes. Schwerpunkte des Programms sind neben Pflanzenheilkunde und Homöopathie die brasilianische Gesundheitspolitik und Möglichkeiten der Intervention vor Ort. Spenden für die Arbeit dieses über Brasilien hinaus so wichtigen zivilgesellschaftlichen Akteurs unter dem Stichwort: Brasilien.

 

Veröffentlicht am 24. April 2009

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