Editorial

Das Auschwitz Faktum

»Denk dir:
der Moorsoldat von Massada
bringt sich Heimat bei, aufs
unauslöschlichste,
wider
allen Dornen im Draht«

Paul Celan

Liebe Leserinnen und Leser

Das Faktum Massada – Auschwitz durchzieht die Geschichte. Das endlose Verbrechen an den Juden. Ein Menschheitsverbrechen – nicht nur an Juden. Dagegen steht das Überlebens-Motiv von Massada, das seine Gestalt bei der Ver­teidigung dieser Festung gegen die Römer (73. n.Chr.) erfuhr. Ereignet sich später in den Irrfahrten des Exodus. Überlebte die russische, die polnische, die rumänische, schließlich die deutsche Hölle. Formiert sich weiter in Überlebenswillen und mündet im Zionismus. Legitimiert sich in dem Bewußtsein, das das Recht verleiht, und baut »Heimat« – ein einziges Zuhause, gebaut mit der Kraft, die sich aus Überzeugungen speist. Aber legitimiert? Als Besatzer? Im Angesicht von Besetzten? – Ein sisyphosaler Briefwechsel, zwischen Natan Sznaider und Navid Kermani, bewegt sich kreisend um diese Frage: »Das religiöse Legitimierungsmuster des Zionismus würde die nackte, nicht zu relativierende Moralität des jüdischen Anspruchs auf Leben, das endlich sicher ist, zusammenfallen lassen auf einen kolonialen-fundamentalistischen Körper«. Israel aber, Heimstatt der Juden, die der äußersten Vernichtung preisgegeben waren, ist derjenige Staat auf der Welt, der seine Legitimität der internationalen Moralität verdankt. Einem historisch einzigartigen Beschluß der Vereinten Nationen und der Weltgemeinschaft, zum Schutz nicht nur der Ju­den in Israel, sondern als manifestatives VETO gegen jegliche systematische Auslöschung. Dieser außergewöhnlichen Lösung, die den Palästinensern zum großen Problem geworden ist, wollen wir diesmal ein ganzes Rundschreiben-Heft widmen. Auf die Zustimmung, den Verstand und die Mitempfindung unserer Leserinnen & Leser setzend. Durchweg mit Palästina-Comics von Joe Sacco bebildert, die »nicht feindselig gegen Israel sind« – wie der MAUS-Comic-Schöpfer Art Spiegelmann dem Künstler attestiert. – Was aber gilt fürs Schicksal der schwergeprüften Araber in Palästina, was soll ihnen geschehen? Nichts anderes als das, was ihren Kontrahenten gewährt wurde: Ein großer entschiedener Akt der Moralität der Vereinten Nationen und Staaten. Auch ihnen gesicherte Heimstatt mit allen Garantien. Anerkannte Aufnahme in die Weltgemeinschaft. Mit allen finanziellen und ökonomischen Mittel für eine prosperierende Zukunft. Lösung ihres Flüchtlingsproblems auch außerhalb Palästinas: durch herzliche Aufnahme der Versprengten als geschätzte Mitbürger in Ländern der ganzen Welt. – Zur Lösung der Probleme Israels und der Palästinenser? Nicht nur das: sondern als Zeichen der endgültigen Verwirklichung jener internationalen Moralität von 1948, die von allen für alle Welt nun an den Palästinensern zu vollenden ist.

Herzlichst
Ihr
Hans Branscheidt

Veröffentlicht am 01. September 2002

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