Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

während dieses Rundschreiben gedruckt und an Sie versandt wird, ist die Entscheidung über Krieg oder Frieden gefallen. Während Sie dieses Heft in den Händen halten, bombardieren vielleicht US-amerikanische Flugzeuge den Irak oder stehen türkische Truppen vor dem kurdischen Arbil. Sollte es dazu kommen, werden Kriege im großen Maßstab wieder führbar und zu einem Mittel geostrategischer Ordnungspolitik. Dann wird die Welt anders aussehen. Nicht nur, weil jeder Krieg unerträgliches menschliches Leid mit sich bringt, sondern weil dieser Krieg die Stärke des Rechts durch das Recht des Stärkeren ersetzt. Die sozialen und politischen Folgen einer solchen Entwicklung sind nicht absehbar. Und noch etwas lässt sich in diesen (Vor)-Kriegszeiten beobachten. Nicht nur die Militärs bringen sich in Stellung. Auch die Medien und die Hilfsorganisationen. Die Logik des Krieges lässt die Grenzen verschwinden, die klar markieren, wo es darum geht, Menschen in Not Hilfe zu leisten, und wo, die logistischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kriege nicht nur führbar, sondern auch legitimierbar sind. Einfach deshalb, weil die humanitären Folgen professionell abgefedert werden. Statt den Krieg zu humanisieren, sollten Hilfsorganisationen zuallererst um seine Verhütung bemüht sein. Nur so lässt sich verhindern, dass Hilfe in die Kriegslogik der Militärs einbezogen werden kann. Aus diesem Grund widmen wir diese Heft dem Thema der »Hilfe in Zeiten von Krieg und Not«. Denn die Militarisierung und Ökonomisierung der Hilfe führt dazu, dass unsere Idee von Hilfe immer stärker unter Druck gerät. Statt eine Hilfe zu leisten, die der Überwindung von Not und Unmündigkeit dient, drohen Hilfsorganisationen zu Geiseln globaler Sicherheitspolitik und herrschender Gewaltmärkte zu werden. Es ist ein Anliegen von medico international diesen fatalen Strukturwandel von Hilfe zu reflektieren und Ausstiegsszenarien zu entwickeln. Dem haben wir dieses Heft gewidmet. Und auf der medico-Konferenz »Macht und Ohnmacht der Hilfe«, die am 28. und 29. März 2003 in Frankfurt stattfinden wird, wird es ebenfalls darum gehen die Wirklichkeit der Hilfe zu untersuchen und Perspektiven für eine Hilfe zu entwickeln, die auf Selbstbestimmung und Emanzipation setzt. Auf den Mittelseiten stellen wir Ihnen das Programm der Konferenz vor. Die Beiträge von Thomas Gebauer, Ruchama Marton und Nuruddin Farah, aber auch die Berichte aus unseren Projekten erläutern ebenfalls das Dilemma. Der Konferenz folgt am Sonntag, den 30. März, die Matinee »Zeichen paradoxer Hoffnung«, die sich mit der Situation in Israel und Palästina beschäftigt. Gerade dieser Konflikt wird von den Vorgängen um den Irak direkt in Mitleidenschaft gezogen. Wir würden uns freuen, Sie auf Konferenz und Matinee begrüßen zu können. Wir haben die Veranstaltung bewusst auf ein Wochenende gelegt, denn es kann bei dieser Diskussion nicht um ein Experten-Gespräch gehen. Soll es uns gelingen, uns den Zwängen einer zunehmen Militarisierung und Kommerzialisierung von Hilfe zu erwehren, so sind wir auf die Unterstützung einer aufgeklärten Öffentlichkeit und auf Ihr Interesse angewiesen.

Mit freundlichen Grüßen

Katja Maurer

P.S. Durch das Heft ziehen sich die Fotografien von Lukas Einsele und Andreas Zierhut. Beide haben im November vergangenen Jahres Afghanistan und die von medico unterstützten Projekte besucht. Ihre Bilder zeigen ein hoffnungslos vom Krieg zerstörtes Land. Nichts erzählen sie von Befreiung und großartigen Verbesserungen für die Lebenssituation der Menschen. Es waren leere Versprechen, nur dazu angetan den Krieg zu legitimieren. Nichtsdestotrotz versuchen sich die Men­schen Perspektiven aufzubauen, nicht zuletzt mit Hilfe unserer Partner. Darüber lesen Sie in diesem Heft.

Veröffentlicht am 01. April 2003

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