Scheinheilig!

G7-Agenda zur Epidemie-Prävention

23 mal. So oft fällt der Begriff „Sicherheit“ in dem Ebola-Kommuniqué der G7-Außenminister, die zur Vorbereitung des Elmauer Gipfels getagt haben.

23 Mal. So oft fällt der Begriff „Sicherheit“ in dem Ebola-Kommuniqué der G7-Außenminister, die zur Vorbereitung des Elmauer Gipfels getagt haben. „Ebola hat gezeigt, dass die internationale Community mit neuen Formen von Krisen konfrontiert ist, die mit neuen Herausforderungen für die Sicherheit einhergehen.“

Wessen Sicherheit soll nach Ebola ausgebaut werden?

Nach dem Ausbruch der Epidemie ist deutlich geworden, dass die Menschen in Westafrika Sicherheit wirklich gut gebrauchen können. Einen sicheren, bezahlbaren Zugang zu sauberem Wasser zum Beispiel, oder Ernährungssicherheit, oder Arbeitssicherheit in den Bergbauunternehmen, deren Produktionsstätten für europäische Unternehmen lukrative Geschäfte versprechen, aber die Gesundheit der Arbeiterinnen und Arbeiter ruinieren. Solange westliche Unternehmen – geduldet von der Politik – riesige Flächen des westafrikanischen Bodens zum Anbau von Biosprit missbrauchen, während alleine in Sierra Leone jeder zweite an Hunger leidet, sollte auch dieses Thema bei einer Beyond Ebola-Strategie ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Es überrascht nicht und ist doch ein Skandal, dass keiner der genannten Punkte im Kommuniqué aufgerufen wird. Doch welche Sicherheit ist dann gemeint und für wen gilt sie? Es geht um Biosicherheit, die für einen sicheren Umgang mit pathogenen Keimen sorgen soll, ohne dass zugleich sichere Lebensbedingungen thematisiert werden.

Westafrika wird als Rohstofflager missbraucht

Ausgeklammert bleibt, dass sich der Ebola-Ausbruch wahrscheinlich gar nicht zur Epidemie ausgewachsen hätte, wenn die westafrikanischen Länder nicht seit Jahrzehnten als Rohstofflager u.a. für Europa missbraucht würden. Die Abbaurechte der Bodenschätze Westafrikas – darunter Gold, Diamanten, Rutil und Bauxit – werden zu günstigen Bedingungen an internationale Unternehmen vergeben, ohne dass diese durch Verträge zu Reinvestitionen verpflichtet würden – während die Gesundheits- und Bildungssysteme darben müssen.

Seit Jahrzehnten werden massenhaft Menschen vertrieben und enteignet. Daneben haben Armutswanderungen, die Abholzung von Waldgebieten und eine extensive Landwirtschaft ihren Teil dazu beigetragen, dass Menschen in immer größerer Nähe zu den das Ebola-Virus übertragenden Wildtieren leben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Virus vom Tierwirt auf den Menschen überspringt, stieg damit – vor allem für die Armen.

Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist Ausdruck einer weltweiten Gesundheitskrise

In Zeiten der eigenen Seuchenangst rufen die Regierungen der G7 plötzlich zum Aufbau von Gesundheitssystemen in Afrika auf, nachdem sie jahrelang verhindert haben, das Thema auf die Agenda zu setzen. Die Forderung ist scheinheilig, wenn zugleich alle politischen Entscheidungen, die zur Destabilisierung beigetragen haben, unangetastet bleiben!

Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist Ausdruck einer weltweiten Gesundheitskrise, die mit der globalen Entfesselung des Kapitalismus entstanden ist. Die Zerstörung von menschenwürdigen Lebensräumen durch Vertreibung und Enteignung, die Zunahme prekärer, mitunter sklavenähnlicher Arbeitsverhältnisse, die Aushöhlung von öffentlichen Gesundheitsdiensten, das Fehlen von Arzneimitteln für die Krankheiten der Armen – all das ist Ergebnis einer Politik, die das Interesse der Ökonomie über die Rechte der Menschen stellt.

medico beteiligt sich am Gegengipfel zum G7

Die G7-Außenminister wären eigentlich genau die richtigen, um sich mit struktureller Prävention zu befassen, mit fairen Handelsbeziehungen, mit rechtlich bindenden Sanktionsmöglichkeiten, wenn Unternehmen Menschenrechte und Arbeitsrechte verletzen, mit der Verpflichtung zur Reinvestition in die Herkunftsländer der Rohstoffe. All das könnte und sollte sie auf die Agenda setzen. Tun sie aber nicht.

An Mitteln für eine andere Politik müsste es nicht mangeln. Was fehlt ist die Bereitschaft, sie einzutreiben und gerecht zu verteilen. Gegen die G7-Treffen zu protestieren ist Ausdruck von Solidarität mit den sozial Ausgeschlossenen. Daher beteiligen wir uns als am Gegengipfel in München. Auf nach Bayern!

Zum Papier der G7-Außenminister.

Veröffentlicht am 01. Juni 2015

Anne Jung

Anne Jung leitet die Öffentlichkeitsarbeit bei medico international. Die Politikwissenschaftlerin ist außerdem zuständig für das Thema Globale Gesundheit sowie Entschädigungsdebatten, internationale Handelsbeziehungen und Rohstoffe.

Twitter: @annejung_mi


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