Bitterer Zucker

Tote bei Protesten ehemaliger Zuckerrohrarbeiter in Chichigalpa

In Nicaragua erkranken immer mehr Zuckerrohrarbeiter an chronischem Nierenversagen. Doch die Plantagenbesitzer erkennen ihre Verantwortung nicht an, der Staat lässt die Erkrankten alleine, wenn sie sich nicht organisieren und ihre Rechte einfordern. Bei Protesten kam es jetzt zu dramatischen Zwischenfällen und Gewaltausbrüchen.

Von Heinz Reinke, Nicaragua-Forum Heidelberg

Immer wieder hatten die Ex-Arbeiter und Erkrankten angekündigt: „Ihr werdet in den nächsten Wochen von uns hören!“ Am 18. Januar blockierten sie schließlich bewaffnet mit Eisenstangen und Steinen die Zufahrt zum Haupttor der Zuckerfabrik Ingenio San Antonio in Chichgalpa, um endlich Gehör in den Medien mit ihren Forderungen zu bekommen.

Eine Einheit der Polizei griff nach den ersten Steinwürfen zu den Waffen und feuerte teils mit Gummigeschossen, aber auch mit Metallpatronen auf die Blockierer. Dabei kam mindestens einer der ehemaligen Arbeiter im Alter von 47 Jahren ums Leben, mehrere wurden verletzt, darunter ein 14 jähriger Junge, der schwere Augenverletzungen davontrug. Die Wogen in den nicaraguanischen Medien schlugen hohe Wellen, inzwischen wurden neun der Einsatzkräfte suspendiert. Nach Aussagen des Innenministeriums und internen Untersuchungen der Polizei erfolgte der Schusswaffengebrauch ohne Erlaubnis, die Verantwortlichen werden vor Gericht gestellt.

Noch in der gleichen Nacht kam es zu schweren Ausschreitungen in Chichigalpa. Kaum hatte sich die Lage etwas beruhigt, machten neue Nachrichten die Runde: Zwei tödlich erkrankte ehemalige Arbeiter starben nachts vor der Klinik des Ingenios ohne Einlass zu finden. Wie ihre Begleiter berichten, hatten sie keine Versicherungskarte vorzuweisen und wurden abgewiesen. Für die Menschen in Chichigalpa ein weiterer Beweis der Unbarmherzigkeit eines Unternehmens, dessen Vorstandsvorsitzender Pellas sich in den Medien Nicaraguas als großer Wohltäter und Sponsor feiern lässt.

In El Viejo und der Zuckerfabrik Ingenio Monte Rosa der Firma Pantaleon ist die Lage derzeit ruhig. Alvaro, Sprecher der Gruppe ASOTRAIRC, sieht der Einweihung der von Pantaleon finanzierten Nähkooperative mit großen Erwartungen entgegen. „Wir hatten vor zwei Jahren ähnliche Auseinandersetzungen, als wir den Betrieb zeitweise besetzten. Inzwischen haben wir mit der Geschäftsführung ein Abkommen, das Lebensmittelhilfe für die betroffenen Familien, Stipendien für Kinder von Erkrankten garantiert und wir haben diesen neuen Betrieb, der als Kooperative von unseren 350 Mitgliedern betrieben wird.“ Aber auch hier in El Viejo mit dem Unternehmen Pantaleon liegen die Verantwortlichkeiten auf der Hand: Es braucht grundsätzliche Regelungen, was Entschädigungen, Pensionen und die notwendige medizinische Versorgung der Betroffenen, aber auch was die Frage des Zugangs zu sauberem Wasser, dem Schutz vor den eingesetzten Pestiziden und einer Umstellung auf eine umweltverträgliche Produktion angeht. Sonst wird es keine Ruhe in der Region geben.

Projektstichwort: Nicaragua

Mit Unterstützung von medico international hat das Nicaragua-Forum Heidelberg in den letzten Jahren ASOTRAIRC und insbesondere die medizinische Versorgung von Erkrankten mit wichtigen Medikamenten finanziert.

Veröffentlicht am 27. Januar 2014

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